Dynamische Edition
Ein digitales Editionsvorhaben des Instituts für ältere Deutsche Literatur und Sprache, Lehrstuhl Prof. Dr. Horst Wenzel. Ausgangspunkt ist der Diskurs in der mediävistischen Philologie und Editionswissenschaft zu handschriftenbasierten Corpora und sogenannten offenen Texten. Daran anknüpfend hat sich das interdisziplinäre Projekt die Realisierung einer Dynamischen Edition zum Ziel gesetzt. Die Plattform richtet sich an Fachwissenschaftler, Studenten und jeden interessierten Leser. Techniken wie HTML, Java und XML werden zum Einsatz kommen.
- Sprach- und literaturwissenschaftliche Fakultät → Institut für deutsche Literatur
Jan Lautenbach
jan.lautenbach@gmx.de http://amor.cms.hu-berlin.de/~h0444v2u/edition_steinbuch/
HU Berlin | Institut für ältere Deutsche Literatur und Sprache | Jan Lautenbach | 2093-9708
Eine zentrale Aufgabe der germanistischen Mediävistik ist die
Herausgabe altdeutscher Texte. Diese sind größtenteils handschriftlich
überliefert. Angesichts dieser Tatsache hat sich ein Wissenschaftler
einer komplizierten Überlieferungssituation zu stellen: Einige Werke
sind in nur einem Fragment bewahrt, andere in einer Reihe von
Handschriften, die jedoch inhaltlich und sprachlich stark voneinander
abweichen können. Demzufolge entwickelten sich verschiedene Verfahren
der Edition solcher Texte. Erste wissenschaftlich-kritische Ausgaben
gingen von dem Anspruch aus, dem Autographen, also jener Schrift, die
unmittelbar auf den Autor zurückgeht, so nahe wie möglich zu kommen.
Angesichts der schlechten Überlieferung ist dies meist nicht zu
realisieren. Als tragfähiger erwies es sich, die Verwandtschaften der
Handschriften eines Werks zu analysieren, daran orientiert eine gute
Handschrift zu favorisieren und nur in Zweifelsfällen weitere zu
befragen. Zweifelsohne werden bei diesem Leithandschriften-Prinzip, wie
bei der Orientierung am Autographen auch, die Quellen interpretiert und
der wissenschaftliche Zugriff vorab verengt. Hierin hat die Forschung
in den letzten Jahrzehnten zunehmend ein Defizit gesehen. Infolge des
Diskurses entstand etwa die Idee, alle Handschriften eines Werks im
Rahmen einer Ausgabe parallel zugänglich zu machen. Diesem Verfahren
sind jedoch drucktechnische Grenzen gesetzt.
Daran knüpft das Projekt Dynamische Edition an. Offenbar kann es aus
der Sicht eines Philologen, der eine Schrift aus immer neuer
Perspektive zu interpretieren hat, eine endgültige Edition
handschriftenbasierter Werke nicht geben. Gleichzeitig erscheint es
wenig sinnvoll, jeder Interpretation eine eigene Ausgabe zugrunde zu
legen. Folgerichtig sind unterschiedliche Problemstellungen und
Lösungen zentral zu erfassen und auszuwerten. Diese Aufgabe wird die
Dynamische Edition erfüllen.
Hier wird ein Nutzer qualitativ und quantitativ auf die erfassten
Quellen und ihre Auswertung Einfluss nehmen können. Dabei sind die
Inhalte hierarchisch organisiert: An oberster Stelle steht das Werk
(Corpus), das aus einer Gruppe zusammengehöriger Volltexte besteht.
Kategorien solcher Volltexte können Transkriptionen von Handschriften
eines Werkes, deren Synthese nach dem Schema üblicher Editionen oder
Übersetzungen sein. Diesen Volltexten sind verschiedene Kontexte
zugeordnet. Kategorien solcher Kontexte können Kommentare,
Literaturverweise oder Stichworte sein. Neben den genannten sind
natürlich eine Reihe weiterer Volltext- und Kontextkategorien denkbar.
Vom Aufbau her besteht die Dynamische Edition aus zwei
Hauptbestandteilen, der Benutzerebene und der Datenverwaltung. Die
Benutzerebene realisiert den Zugriff via Internet und Browser. Über ein
Eingabemodul hat der Benutzer auf der einen Seite die Möglichkeit,
einen Corpus und Subinformationen einzuarbeiten bzw. zu modifizieren.
Damit wird das dynamische Element verwirklicht. Um die Qualität der
Edition zu gewährleisten, wird der Zugang zu diesem Modul eingeschränkt
und über eine entsprechende Vergabe von Zugriffsrechten (Login)
geregelt. Über ein Auswertungsmodul kann er auf der anderen Seite von
schon Eingearbeitetem profitieren, eine Übersetzung lesen, Kommentare
einsehen usw. Ebenso werden Funktionen wie Suchen, Kopieren und Drucken
verfügbar sein. Demgegenüber repräsentiert die Datenverwaltung die
Serverseite der Plattform. Dort werden die Inhalte in einer Datenbank
strukturiert und bereit gestellt.